Tag Archives: Linke

Posse erobert Welt

15 Nov
Bauchschmerzen wegen wikipedia!

Bauchschmerzen wegen wikipedia!

Eine Dummheit bahnt sich ihren Weg durch die Medien: Ein linker Bundestagsabgeordneter aus Lübeck setzt juristisch Wikipedia-Deutschland schachmatt! Weil er mit einem Eintrag des Onlinelexikons wikipedia zu seiner Person nicht einverstanden ist, setzte Lutz Heilmann, Abgeordneter der Linken-Fraktion und ehemaliger, hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter (der erste und bisher einzigste im Bundestag!) nun vor dem Lübecker Landgericht etwas durch, was ihm auch unter Linken nur wenig Sympathien einbringen dürfte.

Nach einer “einstweiligen Verfügung” gegen den deutschen Verein der gemeinnützigen wikipedia sind Nutzer nun gezwungen, einen Umweg über die U.S.-Server des Informationsnetzes zu gehen. Unter http://www.wikipedia.de nur noch folgenden Hinweis:

“Mit einstweiliger Verfügung des Landgerichts Lübeck vom 13. November 2008, erwirkt durch Lutz Heilmann, MdB (Die Linke), wird es dem Wikimedia Deutschland e.V. untersagt, “die Internetadresse wikipedia.de auf die Internetadresse de.wikipedia.org weiterzuleiten”, solange “unter der Internet-Adresse de.wikipedia.org” bestimmte Äußerungen über Lutz Heilmann vorgehalten werden. Bis auf Weiteres muss das Angebot auf wikipedia.de in seiner bisherigen Form daher eingestellt werden. Der Wikimedia Deutschland e.V. wird gegen den Beschluss Widerspruch einlegen.”

Hintergrund sind offensichtlich vier Passagen des Eintrages unter Lutz Heilmann, die sich auf die Vita, dem beruflichen sowie privaten Umfeld dieses Bundestags-Abgeordneten beziehen. Mehr dazu in den hanseatischen befindlichkeiten...

Walters Laden

3 Nov
Das Kempowski-Haus in Rostock

Das Kempowski-Haus in Rostock

…aber eben nicht nur Walters Laden! Wenn es um die Wahrnehmung von persönlichen Helden geht, dann wird man nicht selten wenig sachlich und unfreundlich. Auf dem fantastischen Portal des SPIEGEL für Zeitgeschichte namens „et – einestages“ wurde vor kurzem ein interessanter Bericht über die DDR-Strafanstalt Bautzen veröffentlicht. Unter dem Titel „Singen gegen die Selbstmordgedanken“ geht es um den Chor im „gelben Elend“, um einen Kreis ehemaliger Bautzener „Chorknaben“, die sich noch heute treffen und die Erinnerung an dieses „Kapitel für sich“ pflegen.

Unter anderem ging es aber auch um einen Leiter dieses Chores namens Detlef Nahmmacher. Nahmmacher? Welch´ ungewöhnlicher Name. Der Vorteil solcher Namen ist jedoch deren nachhaltige Erinnerungsprägung, denn dieser Name war mir alles andere als unbekannt. Ich kannte den Namen, denn er war Teil grosser Literatur. Kein geringerer als der Schriftsteller Walter Kempowski war ebenfalls „Insasse“ der Strafanstalt Bautzen in den fünfziger Jahren. Kempowski stammte aus einer Rostocker Reederfamilie und war unmittelbar nach dem Krieg in der Lage, mit Frachtbriefen den Amerikanern zu beweisen, dass die Sowjets wesentlich mehr Reparationsgüter aus Deutschland ausführten, als dies mit den Allieerten vereinbart war. Dafür wurde Kempowski verhaftet und als „spionische Gefangener“ von den Russen verurteilt. Gemeinsam mit hunderten weiterer Gefangener, die ähnliche „Anschuldigungen“ über sich ergehen lassen mussten.

Walter Kempowski verarbeitete seine Gefängnis-Erlebnisse in seinen Werken „Im Block“ und im späteren „Ein Kapitel für sich“. Die Bautzener Jahre also als Kern seines schriftstellerischen Schaffens.
„Der macht andere Schicksale zu Geld“, lautete da nur eine der komischen Anschuldigungen, mit denen sich Kempowski seit den Siebziger Jahren herumschlagen mußte. Besonders aber war Kempowski stets ein Gegner des Kommunismus und des angeblichen „demokratischen“ Deutschland mit dem Kürzel „DDR“ – der Hauptgrund, weshalb er von vielen Altlinken und 68er-Gesinnungsfreunden kritisiert, verschwiegen und isoliert wurde. Unter unzureichendem Erfolg, wie man heute weiß.
Aber besonders deshalb werden Kempowski-Freunde und -Fans besonders hellhörig und kritisch, wenn es nunmehr nach Kempowskis Tod weiterhin zu einer solchen Verschwiegenheit kommt.

Zurück jedoch zu Detlef Nahmmacher und dem Bautzener Gefangenechor.
Selbstverständlich verfügt niemand über das Monopol zur literarischen Verwertung eines historischen Vorgangs oder Ereignis. So bleibt natürlich auch Zeitzeugen völlig unbenommen, über den einen oder anderen Leidensgenossen zu sprechen. Oder es eben zu lassen.
Doch hätte Nahmmacher auch keinen Grund, seinen alten Freund Kempowski zu verschweigen. Der jedenfalls widmete nicht nur eines seiner Werke diesem Mann, sondern erwähnte ihn auch bei jeder Gelegenheit. Mehr noch. Hier zum Beispiel ein Auszug aus Dirk Hempels „bürgerlicher Biografie“ zu Kempowski:

Er traf den Feldwebel seines Vaters und Detlef Nahmmacher, der ihm 1943 die Haare abgeschnitten hatte, außerdem einen Neffen seines ehemaligen Lehrers Johannes Gosselck. Kempowski ging immer wieder von Pritsche zu Pritsche, sprach mit den Männern, fragte sie nach ihrem Leben, hörte stundenlang zu. Der babylonische Chor der Stimmen faszinierte ihn. „Ich begann mit dem Einsammeln der Schicksale schon in Bautzen, das Belauschen der Gespräche, das Geraune, nicht erst seit dem schon geschilderten Gang über den Hof, seit damals aber zielbewußt.“(…)

Nahmmacher traf 1943 als Rostocker HJ-Führer den Swing-Boy Kempowski – in Bautzen haben sie sich dann aber „richtig“ kennengelernt und sich verziehen. Sie wurden Freunde.

Umso größer deshalb die Verwunderung und die Frage: WARUM/ WESHALB keine Notiz von Walter Kempowski? Eine politische Entscheidung des verantwortlichen Autor Matthias Pankau?

Walter Kempowski, ein Schriftsteller aus Rostock

Walter Kempowski, ein Schriftsteller aus Rostock